Heute vor 50 Jahren – ein persönlicher Rückblick

Heute vor 50 Jahren: 10. September 1974 – ein persönlicher Rückblick

 

Im kommenden Jahr feiert das Franz-Meyers-Gymnasium sein 50-jähriges Bestehen, denn mit Beginn des Schuljahres 1975/76 nahm unsere Schule ihren Betrieb auf, damals noch als Gymnasium i.E. Giesenkirchen.

Die Anfänge unserer Schule liegen aber eigentlich noch ein wenig weiter zurück. Denn den ersten gymnasialen Standort in Giesenkirchen gab es schon ein Jahr früher. Wie kam es dazu?

Am 10. September 1974 betrat ich zum ersten Mal das Schulgebäude am Asternweg. Damals war hier die Hauptschule Giesenkirchen untergebracht. Und ab dem 10. September auch die Klassen 5E und 5F des Gymnasiums Odenkirchen. Wenn man in einen alten Kalender schaut, stellt man fest, dass der 10. September ein Dienstag war. Montag, der 9.9., war ganz normaler erster Schultag in Nordrhein-Westfalen und Einschulungstag am Gymnasium Odenkirchen gewesen, einen Tag später dann in der „Zweigstelle“ Giesenkirchen. Tatsächlich gehörten alle gymnasialen Schulanfänger in Giesenkirchen im Schuljahr 1974/75 dem Gymnasium Odenkirchen an.

Mein Vater und ich kamen an diesem schönen Spätsommertag etwas zu spät (meine Mutter konnte nicht mitkommen, da zeitgleich mein jüngerer Bruder in der Grundschule eingeschult wurde), die Veranstaltung hatte bereits begonnen. Irgendwie fanden wir noch einen Platz in diesem mit neuen Sextanern und ihren Eltern randvoll gefüllten Raum. Und dann lauschte ich mit gehörigem Respekt den Worten, die der damalige Oberstudiendirektor des Gymnasiums Odenkirchen, Josef Langen, an uns richtete. Von einem weiten Weg, den wir vor uns hätten, hat er gesprochen, von dem Ernst des Abiturs und der Zeit der neuen Jahre, die dann doch sehr schnell vergingen.

Irgendwie fühlte ich mich etwas fremd und verloren an diesem Tag. Intensiv versuchte ich zu erspähen, wo meine drei KlassenkameradInnen aus der Grundschule denn waren, die mit mir zusammen in Giesenkirchen zur Schule gehen sollten. Schließlich wurden uns die neuen Klassenlehrer vorgestellt: Christian Zeike für die 5E und Lothar Höckendorf für die 5F. Die Klassenlisten wurden verlesen. Und danach waren zumindest zwei Dinge klar. Wir vier aus der 4a der katholischen Grundschule Giesenkirchener Straße kamen in eine Klasse, die 5E, und unser Klassenlehrer war Oberstudienrat Christian Zeike. Unsere neue Klasse bestand aus Meerkamper, Giesenkirchener, Mülforter sowie einigen Rheydter Kindern. Unterrichtet wurden wir neben Christian Zeike (Deutsch) von Günter Imdahl (Englisch, kath. Religion und Sport für die Jungen), Heinz-Jörg Bülte (Mathematik und ev. Religion), Wolfgang Rother (Geschichte), Wolfgang Wassenberg (Erdkunde und Musik), HaJo Krahwinkel (Biologie), Friedhelm Beilharz (Kunst) und Fräulein Otte, die spätere Frau Schwarz (Sport für die Mädchen).

Dass an diesem 10. September zwei Gymnasialklassen in der Hauptschule Asternweg starteten und dass ich hier gelandet war, das war ein halbes Jahr zuvor noch gar nicht abzusehen gewesen.

In meiner Erinnerung war für uns Schülerinnen und Schüler der 4a der katholischen Grundschule Giesenkirchener Straße (heute Gemeinschaftsgrundschule Mülfort-Dohr) nach Absolvieren des Eignungstests für die weiterführenden Schulen eigentlich klar, an welchen Schulen es nach den Sommerferien 1974 weitergehen sollte. Für diejenigen von uns, die das Gymnasium besuchen wollten, stand fest, dass wir ausnahmslos zum Gymnasium Odenkirchen wechseln wollten. Dieses hatte nicht nur einen exzellenten Ruf, sondern war für uns Kinder aus Mülfort, Dohr und Bell auch das nächstgelegene Gymnasium. Von meinem Zuhause an der Giesenkirchener Straße bis zum Odenkirchener Gymnasium waren es nicht einmal 15 Minuten Fußweg.

So weit, so gut. Die Ernüchterung erfolgte wenige Wochen nach der Anmeldung. Wir alle bekamen einen Ablehnungsbescheid. Das Gymnasium Odenkirchen konnte nämlich die Vielzahl der Anmeldungen unseres geburtenstarken Jahrgangs 1963/64 nicht mehr stemmen. Als Alternativen wurden unseren Erziehungsberechtigten zunächst die beiden anderen Rheydter Gymnasien, das Hugo-Junkers-Gymnasium und das Gymnasium an der Gartenstraße, genannt. Aufgrund der hohen Anmeldezahlen kam aber noch eine weitere Möglichkeit ins Spiel. Es gab nämlich einen Stadtratsbeschluss des damals noch selbstständigen Rheydts von Ende 1973, ein viertes Gymnasium in der Stadt zu errichten. Als Standort war ursprünglich Mülfort ausgewählt worden.

In einer zweiten Anmelderunde entschieden sich dann letztendlich die Eltern von 72 Schülerinnen und Schülern für das neue Gymnasium. Das waren aber für eine dreizügige neue Schule zu wenig. Deshalb sollten die 72 Schülerinnen und Schüler des neu geplanten Gymnasiums erst einmal für ein Jahr dem Gymnasium Odenkirchen angegliedert und von Odenkirchener Gymnasiallehrerinnen und -lehrern unterrichtet werden. Als Unterbringungsort war die Hauptschule Asternweg in Giesenkirchen bestimmt worden.

Für meine Eltern war von Anfang an klar, dass ich trotz aller Unsicherheiten, wie es im darauffolgenden Jahr weitergehen würde, das neue Gymnasium besuchen sollte, das (wie verwirrend!) erst einmal das Gymnasium Odenkirchen war, von dem ich ja einen Ablehnungsbescheid erhalten hatte.

Leider zeichnete sich schon sehr bald ab, dass die „Gymnasiasten“ unserer Grundschulklasse nicht alle zusammenbleiben würden. Ungefähr die Hälfte wechselte schließlich zur Gartenstraße, einer zum „Hugo“ und vier von uns nach Giesenkirchen. Das hatten wir uns eigentlich ganz anders vorgestellt! Die Verhandlungen von uns 10-jährigen auf dem Schulhof der Grundschule gestalteten sich dann auch entsprechend schwierig bis ergebnislos. So sollte mein damals bester Freund zur Gartenstraße wechseln. „Komm doch auch mit zur Gartenstraße“, schlug er mir mehr als einmal vor. „Ne, das wollen meine Eltern nicht. Kannst du dich nicht auch für das neue Gymnasium anmelden?“ „Wenn Odenkirchen schon nicht klappt, wollen meine Eltern, dass ich auf die Schule gehe, wo auch meine Schwester ist.“

Tja, da hatten wir nun vier Jahre zusammen in der Grundschule verbracht, spielten nachmittags gemeinsam Fußball und waren zusammen Messdiener. Und nun das. Schöne Aussichten… Irgendwie hatte ich so überhaupt gar keine Lust mehr auf die neue Schule. Meine Nachverhandlungen zu Hause, ob ich dann nicht wenigstens mit dem Großteil meiner Grundschulklasse zur Hauptschule wechseln könne, fanden bei meinen Eltern kein Gehör. Ausgekontert wurde ich mit meinem damaligen Berufswunsch. Als 10jähriger wollte ich unbedingt Grundschullehrer werden, und dafür brauchte man selbstverständlich das Abitur. Was für eine komplizierte Welt!

Die letzten Wochen meiner Grundschulzeit breitete sich mehr und mehr eine Abschiedsstimmung aus, die im Sommer 1974 durch die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland ein wenig aufgehellt wurde. Am 7.Juli gewann die Bundesrepublik Deutschland im Endspiel gegen die Niederlande mit 2:1.

Am 24.7. war unser letzter gemeinsamer Grundschultag mit der Zeugnisausgabe und den beginnenden Ferien, die wir Kinder vor allem im neuen Giesenkirchener Freibad verbrachten.

Als der Beginn des neuen Lebensabschnitts als Gymnasiast immer näher rückte, gingen meine Eltern mit mir den Weg zur neuen Schule einmal zu Fuß ab, und ein weiteres Mal fuhren wir die Strecke mit dem Bus. Nicht zuletzt, weil die Schülerinnen und Schüler der Zweigstelle Giesenkirchen aus dem gesamten Rheydter Stadtgebiet kamen, wurde mit der Linie 34 (später 024) eine neue Busverbindung eingerichtet, die den Rheydter Westen, die Rheydter Innenstadt und Mülfort mit Giesenkirchen verband. Von meinem zweiten Schultag an habe ich diese Buslinie neun Jahre lang fast jeden Schultag genutzt.

Der erste Schultag rückte also immer näher, und ich musste mich ins Unvermeidliche fügen. Und als ich da am 10. September ein bisschen versonnen und ängstlich in der Aula saß, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich dort eine ganz wunderbare Schulzeit und schließlich den Großteil meines Lebens an dieser neuerrichteten Schule verbringen würde, dass  ich dort Freunde gefunden habe und Menschen begegnet bin und auch heute noch begegne, die meinen Lebensweg entscheidend geprägt haben und immer noch prägen.

Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt werden, dass mit Beginn des Schuljahrs 1974/75 an allen Mönchengladbacher Gymnasien die Koedukation eingeführt wurde, es also keine reinen Jungen- bzw. Mädchengymnasien mehr gab. Was in der Grundschule sowieso normal war, galt jetzt auch an den Gymnasien, das gemeinsame Lernen von Mädchen und Jungen in einer Klasse. Eine Ausnahme bildete dabei damals noch der Sportunterricht.

Ich habe an einer Stelle den Ratsbeschluss erwähnt, dass das neue Gymnasium in Mülfort gebaut werden sollte. Dieser Beschluss wurde im Jahr 1975 nach der kommunalen Neugliederung und der Einverleibung Rheydts in die Stadt Mönchengladbach „kassiert“. Die neue Ratsmehrheit votierte nun für Giesenkirchen…

Achim Warner